Aus internationalen Studien ist bekannt, dass es sich bei Sexueller Kindesmisshandlung um Delikte mit einer hohen Wiederholungsgefahr handelt. Nach einer Untersuchung von Tschahn (2006) werden 40 Prozent aller sexuellen Übergriffe gegenüber Kindern unter 12 Jahren von (überwiegend männlichen) Jugendlichen begangen. Diagnostische und therapeutische Interventionen sollen möglichst frühzeitig ansetzen, um das Wiederholungsrisiko zu minimieren. Sowohl bei betroffenen Eltern als auch in der Fachöffentlichkeit sind Reaktionsweisen zwischen Hilflosigkeit über die Einschätzung (altersangemessen oder sexuell übergriffig?), Bagatellisierung ("... das wächst sich aus ...") oder Dramatisierung ("Sexualstraftäter") ebenso häufig, wie sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Hilfe dem Jugendlichen zukommen sollte.
In der Regel sind sexuell übergriffige Jugendliche kaum motiviert, sich in Behandlung zu begeben. Ausnahmen sind äußere Umstände, wie z.B. ein bevorstehendes Gerichtsverfahren. Diese "Motivation" würde nicht ausreichend lang anhalten. Erfahrungsgemäß ist von einer Therapiedauer von mindestens 1 ½ Jahren auszugehen. Eine diagnostische Arbeit ist deshalb häufig auf externen "Druck" in Form von gerichtlichen Auflagen, Weisungen durch das Jugendamt o.ä. angewiesen. Die Rahmenbedingungen für die diagnostische und therapeutische Arbeit müssen von allen (Verfahrens-)beteiligten besonders klar festgelegt werden, da der Verlauf der therapeutischen Arbeit sehr maßgeblich von den familiären oder pädagogischen Bezügen abhängt, in denen der Jugendliche lebt.
In dem Seminar werden die Grundlagen der ambulanten diagnostisch-therapeutischen Arbeit mit sexuell übergriffigen Jugendlichen dargestellt.